115. Kletterjubiläum am Falkenstein
oder „Klettern im Wandel der Zeit“
„Am Osterfest 1897 hatten wir den ersten Anlauf gewagt, den Gipfel des Falkensteins zu erklimmen. Wir wurden abgeschlagen. Erst im Hochsom-mer des nächsten Jahres entschlossen wir uns ein zweites Mal zum Angriff“.
Der Kalender zeigte den 14. Juni 1898. An diesem Tag gelang unserem Clubfreund Albert Schiefner gemeinsam mit seinen Bergkameraden die ers-te Besteigung des Falkensteins durch eine Seilschaft des T.C. Wanderlust 1896. „Was war das für eine Ehre, den Namen einschreiben zu dürfen! Das Herz lachte, denn wir waren eigentlich nur Wanderfreunde“.
Vieles hat sich in diesen Jahren geändert. Von einem „Hochsommer“ kann derzeit wirklich keine Rede sein, so dass wir unsere Jubiläumsbesteigung wegen des nächtlichen Regens um einen Tag auf den 15.6.2013 verschoben haben. Die Ausrüstung von damals ist aus heutiger Sicht eher als gefährlich und nicht nur als rustikal zu bewerten. „Mit 8 Stück Wäscheleinen, welche zusammengeknotet wurden“, gelang damals die Besteigung. Albert schreibt selbst: „Unsere Ausrüstung war ungefähr so, wie die aller Anfänger und damals aller Pioniere.“ Nicht umsonst wurde wenig später in der Clubversammlung auf die anzuwendenden Vorsichtsmaßregeln bei der Besteigung des Falkensteins aufmerksam gemacht und am 5. Mai 1899 beschließt man gar, dass die Besteigung dieses Gipfels nicht als Vereinstour zu gelten habe, sondern dass die Mitglieder diese „nur privat und auf eigene Gefahr unternehmen dürften“.
Zum Glück haben sich nicht alle Mitglieder an diesen Beschluss gehalten und somit kann die Wanderlust auf eine lange Klettertradition zurückblicken. Albert Schiefner dachte sicherlich nicht daran, dass 115 Jahre später wieder fünf Kletterer losziehen werden, um die Clubfreunde aus der Gründerzeit mit dieser Besteigung zu würdigen und damit eine alte Clubtradition fortzusetzen. Das bei der Jubiläumsbesteigung auch eine Frau dabei war, ist in der heutigen Zeit überhaupt nicht ungewöhnlich. Früher waren Frauen eher die Ausnahme beim Klettern. Während der Anfahrt zum Falkenstein bekam ich dann doch etwas beklemmende Gefühle. Nicht wegen der bevorstehenden Klettertour, sondern wir passierten das vom Elbehochwasser betroffene Bad Schandau und Postelwitz. Wir fuhren zum Klettern und die Anwohner hatten mit den Aufräumungsarbeiten zu tun. Bei unserer Rückfahrt am Nachmittag war bereits ein Großteil des Hochwassermülls entsorgt worden und nur die offenen Fenster in den Erdgeschossen erinnerten an diese Überschwemmung.
Im Zahnsgrund angekommen, liefen wir direkt zum Falkenstein. Zu fünft ging es den Schusterweg hinauf. Den gleichen Aufstieg, den auch Albert mit seinen Bergfreunden ausgewählt hatte. Wir kamen gut voran und nach ca. drei Stunden erreichten wir den Gipfel des Falkensteins. Das leichte Seil- und Sicherungsmaterial und die zusätzlichen festen Sicherungspunkte ermöglichten ein zügiges Steigen. Auch der Fotoapparat für das Gipfelfoto war vor 115 Jahren sicherlich unhandlicher und schwerer als heute. Die nachfolgende Seilschaft des T.C. Bergfreunde 16 machte dankenswerterweise von uns das Gipfelfoto und wir begannen mit dem Abstieg über den Turnerweg. Die Bergfreunde 16 nahmen den Schnellabstieg per Abseile.
Unser Abstieg war zwar etwas länger, aber wir wollten die Bergfahrt so wie damals durchführen. Allerdings benutzten wir die beiden eingerichteten Abseilstellen am Turnerweg.
Es ist schon interessant zu wissen, dass Oskar Schuster den Abstieg über den Turnerweg als „schlimm“ bezeichnete. Im SBB-Jahrbuch 1912/1913 ist zu lesen: „Wir kamen hier bis zum letzten (untersten) Kamin, d.h. eigentlich nur mein Gefährte. Ich saß inzwischen in dem Loch oberhalb des dreiarmigen Kamins und hielt das Seil. Mein Gefährte meldete, dass der Ausstieg wahrscheinlich überhinge und nicht rätlich sei zu begehen, deshalb stiegen wir wieder zur Spitze empor. Dann erfolgte der Abstieg auf unserer Anstiegsroute. Über die Platte stieg ich in Ermangelung eines Abseilzackens frei hinunter. Die künstlichen Stufen, die sich jetzt am Turnerweg befinden, etwas oberhalb des dreiarmigen Kamins, zwischen diesem und dem „Breiten Sprung“ entdeckten wir auf unserem Rückweg zum Gipfel. Sie lagen unter einer dichten Vegetationsdecke, die man abziehen konnte wie das englische Pflaster von einer Wunde. So wurde vor unseren erstaunten Augen plötzlich die ganze Stufenreihe sichtbar.“ Es hat sich viel getan, in den fast 150 Jahren „sächsischen Bergsteigens“ und wenn im nächsten Jahr dieses große Jubiläum ansteht, sollte man nicht nur zurückblicken, sondern den Blick auf die Weiterentwicklung des Klettersports in Sachsen richten.
Was früher „in alter Tradition“ gut und zeitgemäß war, entspricht den heutigen Erfordernisse teilweise nicht mehr. Auch in Sachsen unterliegen die Sicherungsmittel und damit die Sicherungsmöglichkeiten einem Wandel. Viele Erstbegehungen wurden erst durch diesen Wandel möglich und letztendlich stieg das Leistungsniveau in Sachsen dadurch erheblich an.
Ich bin deshalb der Meinung, dass der SBB bei diesen Themen in der zurückliegenden Zeit den richtigen Weg eingeschlagen hat und dass das „Sächsische Klettern“ in den nächsten Jahren noch einige Überraschungen bieten wird.
Wer weiß, ob vielleicht auch ein Oskar Schuster Friends eingesetzt hätte, wenn es im Sporthaus Ernst Karnagel am Pirnaischen Platz diese gegeben hätte? Es wäre dann ein traditionelles Sicherungsmittel und keiner würde über „UFO`s“ reden.
Knut Israel (im SBB-Mitteilungsblatt 2013)