120. Stiftungsfest in Schellerhau / Mayenhof 14.10. bis 16.10 2016
„Macht Babys!“
Was für eine richtungsweisende Aufforderung unseres SBB-Ehrenvorsitzenden Uli Voigt anlässlich unseres 120. Stiftungsfestes am 15.10.2016. Doch ich will meinen Bericht von vorne beginnen.
Um zusammen mit Bergfreunden ein Stiftungsfest zu feiern, benötigt man eigentlich keine besondere Jubiläumszahl. Es muss sich nur jemand hinsetzen und die Einladungen schreiben. Das 120. Stiftungsfest war ein guter Grund, diese Einladungen zu schreiben und am Wochenende vom 14. bis 16. Oktober begrüßten wir im Mayenhof unsere Gäste von der Berglust 06, den Bergfreunden 16 und den Schwefelbrüder 09. Leider mussten die Frankensteiner 10 absagen, da am gleichen Wochenende ihr Abklettern in der Saupsdorfer Hütte stattfand. Vom SBB begrüßten wir am Freitag Alexander Nareike und am Sonnabendmorgen traf Uli Voigt ein.
Schon am Freitag treffen viele Gäste ein. Nicht alle schlafen auch im Mayenhof, teilweise haben sie Quartier in einer anderen Pension. Auf einem großen Tisch lege ich die Bücher aus dem Nachlass von Christian Richter aus und jeder kann sich entsprechende Werke aussuchen. Der Preis pro Buch liegt bei zwei Euro. Es kommen so über 60€ als Clubspende zusammen.
Zum Kaffeetrinken in der Glasveranda vom Mayenhof sind wir noch eine kleine Runde von 25 Gästen. Die verschiedenen Kuchen, gebacken von unseren Frauen, sind alle lecker. Der Kaffee schmeckt. Das traditionelle Grillen der Thüringer, ausgeführt von den Thüringer Clubfreunden beginnt 18 Uhr.
Bergfreund Alexander Nareike kommt gerade noch rechtzeitig zum Abendessen. Frisch gestärkt überbringt er die Grüße des SBB. Danach singen wir gemeinsam einige Berglieder.
Der erste Höhepunkt unseres gemeinsamen Wochenendes ist die Taufe von unseren drei neuen Mitgliedern. Zur Sonnenwende in Hellendorf wurden sie in die Wanderlust aufgenommen. Diese drei Neuaufnahmen senken unseren Altersdurchschnitt gleich mal um 6 Jahre (!) und nach der Clubaufnahme der Frauen aus der Altstädter Wandervereinigung im Jahr 1908 ist seit langem wieder einmal eine Frau dabei.
Ob Mann oder Frau, die Taufprozedur gilt für alle. Angefangen vom Barfußparcour, dem „leckeren“ Taufmenü von 3-Sterne-Köchin Iris bis zur Wasserdusche unter freiem Himmel, in der sehr kühlen Herbstnacht im Erzgebirge. Es ist eine sehr schöne Taufe, die für den größten Teil der Gäste sehr lustig ist. Für einen kleinen Teil der Gäste ist sie aber sehr nass. Ja, alles Gute kommt von oben, in diesem Fall aus dem Fenster vom ersten Stock. Die Täuflinge haben alles unbeschadet überlebt und können somit am nächsten Tag an der Wanderung zum Kahleberg teilnehmen.
Während wir am Samstagmorgen beim Frühstück sitzen, kommen weitere Gäste und gegen halb zehn Uhr startet unsere Wanderung zum Kahleberg. Unser Ziel ist zur Mittagszeit erreicht und im runden Holzpavillon ist ausreichend Platz für uns alle. Nach ausgiebiger Rast nehmen wir zum Gipfelfoto Aufstellung. Über die Schneise 31 geht es zurück nach Schellerhau. Pünktlich zum Kaffeetrinken treffen die letzten Gäste ein. Unsere Stiftungsfestgesellschaft wächst auf fünfzig Personen an. Der Saal wird langsam voll. Das Stellen der Tische macht etwas Probleme, denn fast genau in der Mitte des Raumes steht eine Säule, die den Raum in zwei Bereiche teilt.
Aus Kreischa reist Wolfgang Fehre an. Sich selbst bezeichnet er als Alleinunterhalter, stellt aber viele „Entertainer“ in den Schatten. Seine „Wollemusic“ begleitet uns durch den ganzen Abend. Erst nach Mitternacht spielt er seine Abschiedsmelodie.
Die offizielle Begrüßung aller Gäste erfolgt planmäßig vor dem Abendessen und die späteren Grußworte der eingeladenen Clubs und vom SBB-Ehrenvorsitzenden entwickeln sich zu einer lustigen Talkrunde. Dabei bemerkt Uli sofort die fehlenden Kinder. Ihr braucht mehr Babys, ruft er aus. Ja, da hat er recht, aber dazu braucht man erst einmal die entsprechenden jungen Eltern. Leider besteht da gerade ein kleiner Mangel. Diesen Zwischenschritt hat Uli scheinbar übersehen.
Für die Ansprachen der Clubs und deren Geschenke wollen wir uns hiermit nochmals recht herzlich bedanken. Von den Schwefelbrüdern erhalten wir verschiedene historische Berichte, teilweise in einem Buch gebunden, etwas zu Trinken und ein UFO, der die Wanderlust in die Zukunft mitnehmen wird. Die Berglust und die Bergfreunde laden uns auf ihre Clubhütten zu einem gemeinsamen Hüttenwochenende ein. Das werden wir im nächsten Jahr gemeinsam nutzen, um die Clubs wieder näher zusammen zu bringen. Vielen Dank dafür!
Zwei besondere Jubilare werden an diesem Abend gewürdigt und ausgezeichnet. Klaus ist seit 60 Jahren Mitglied der Wanderlust und Noge trat im gleichen Jahr dem DAV bei, als er auf Alpenfahrt war.
Zum 120. Stiftungsfest wurde eine Festschrift gedruckt, welche mit einer umfangreichen CD ergänzt wird. Ich stelle den Gästen die europäische und dann die orientalische Ausgabe der Festschrift vor. Letztere ist durch einen Fehler beim Buchbinder entstanden und Alex hat es zum Glück rechtzeitig gemerkt. 39 Festschriften wurden daraufhin eingestampft.
Während des Abends, der Musiker benötigt auch mal eine Pause, findet unsere Modenschau statt.
Thema: Eine Zeitreise durch die Entwicklung des Kletterns.
Bereits beim Ankleiden der Models haben wir viel Spaß. Manch Jüngerer staunt, wie schwierig es ist, sich mit einem 16mm Füssner-Seil einzubinden und die schweren Nagelschuhe an den Füßen zu tragen. Wenn man diesen 24m-Seilrest auf ein 40m Seil hochrechnet und vier Schlingen mit Stahlkarabiner dazurechnet, dann kamen schnell mal 12kg auf die Waage und damit wurden VIII’er geklettert. Heute wiegen die Seile 50g/m und eine Exe mit zwei Karabinerchen liegt unter 100g.
Die damals verwendeten Kletterschuhe, wenn überhaupt, sind ein weiteres Thema. Es wurde Barfuß geklettert oder Dachdeckerschuhe benutzt. Noch in den 50’er Jahren hat man alte Hanf-Clubseile für die Besohlung hergenommen. Bei der Wanderlust wurde erst 1964 das letzte Hanfseil aussortiert.
Unser Model „Max“ (1930 bis 1950) betritt in alter Gebirgsausrüstung, mit einem Pickel (von Max Richter) und den handgeschmiedeten Steigeisen von Alfred Hermann (Barbarine Talseite), den Saal. Um den Bauch ist er mit einem Sackstich eingebunden und wird von einem Bergfreund mit der alpinen Schultersicherung gesichert. Im Vorkriegsrucksack von unserem ehemaligen Mitglied Johann befinden sich noch weiter Utensilien aus dieser Zeit. Solche Ausrüstungsgegenstände wurden noch lange nach dem Krieg zwangsläufig verwendet.
Das nun folgende Model „DDR“ trägt zur weiteren Belustigung aller Gäste bei, allerdings fanden wir die damalige Mangelversorgung an Kletterausrüstung eher traurig. In klassischer Brusteinbinde, Knoten bereits vorne, wird er mit der einfachen Kreuzsicherung gesichert. Das Anlegen dieser Brustsicherung geht auch nicht mehr so flüssig wie früher ab. Aber das Model ist trotzdem gut gesichert. Die viel verwendete Fahrradkappe als Kopfschutz und die ersten dünnen Schlingen aus spiralgeflochtnen Material (Ø 6 und 8mm) sowie die steifen Kernmantelschlingen (Ø5 und 7mm) umgehängt betritt unser Model die Bühne. Die Stahlkarabiner waren inzwischen etwas leichter geworden und ziehen trotzdem ganz schön nach unten. Bei den Seilen konnte man damals zwischen dem spiralgflochtenen Seil, welches ich noch in der originalen Verkaufsverpackung zeigen kann, und dem neuren Kernmantelseil wählen. Die Haltbarkeit bei Stürzen war bei beiden Seiltypen eher fraglich.
Dann, irgendwann Ende der 70‘er kamen die ersten Westschlingen, Seile und Kataloge über die Grenze. Man verschlang den Alpinismus und baute die westliche Ausrüstung nach: Abseilacht, Stichbremse, Steigklemme, Fifi, Steigleiter, Haken, Gurte und sogar Steigeisen. All das gehört zur DDR-Zeit und kann den Gästen mit Einzelstücken vorgeführt werden.
Uns war kein Material zu wertvoll und so fertigten z.B. Detlev Hinrichsen, Gerd Donke und ich einige Abseilachten aus bestem V2A als private „Konsumgüterproduktion“ des VEB Hochvakuum für uns und unsere Freunde. Im Vergleich zu einer originalen Schuster-Acht erkannte nicht jeder den viel besseren Nachbau von uns. Verschiedene Ausrüstungsgegenstände wurden auch aus Titan gefetigt. Mit selbstgegossenen Zinnleuchtern habe ich mir den Werkstoff aus der Nickelei im Polenztal ertauscht.
Als dann die ersten Ruppberg-Alu-Karabiner aus Zella-Mehlis auf den Markt kamen, atmete die DDR Klettergemeinschaft auf. Leider gab es diese Karabiner nur in begrenztem Maße. Nach einigen Anlaufproblemen waren diese im Westen auch begehrt, denn sie hielten die vorgegebenen Werte und waren billiger als Markenprodukte (Ruppberg für DM 5,90 – sonst ca. DM 8,-). Dieser Ruppberg wurde zu einer Ersatzwährung für die Beschaffung anderer Ausrüstungsgegenstände. Die Belastungswerte stiegen von 2000kp auf 3500kp und da konnte keine „Wessi“ mithalten.
Parallel lief in den 70/80‘er Jahren die Big Wall Ära an. Unser Model „Yosemite“, behangen mit allen verfügbaren Haken (auch den ersten Bohrhaken), Keilen, Stoppern, Hexen und Exen, Friends und Karabiner, ein Joint zwischen den Zähnen, die Finger getapt und gekalkt – betritt die Arena. Was für ein Unterschied zum eher schlicht wirkenden Model „DDR“!
Nachdem sich das Model „Yosemite“ in späteren Jahren mehr dem ursprünglichen Klettern zuwandte, erfand es auch noch das Freeclimbing, ohne sich die Frage zu stellen: Wer hat‘s erfunden?
Bei unserer Modenschau überspringen wir nun die Gegenwart, denn jeder kennt hoffentlich seine Ausrüstung und durch einen Zeitsprung landen wir in der „#Modernen Zeit“. (siehe auch in der Festschrift)
Unser Model „Jungmanagerin“ - einzigste Ausrüstung sind die Schuhe und der Gurt - ordert ihr Naturerlebnis zukünftig mit einem Wisch-Fon über die Saxony-Rock-Climbing-Prepare-App. Wie von Geisterhand wird der Sicherungsautomat am Einstieg platziert und die mobilen Sicherungsmittel platzieren sich von selbst am Felsen (ein Bergfreund agiert hinter dem Felsen). Sie, die „Jungmanagerin“ steigt nur noch ein, hängt ihr Seil in die vorinstallierten Karabiner und der explodierende Sicherungsautomat wird sofort durch einen per Handy gerufenen Servicetechniker repariert. Er ersetzt in den #Modernen Zeiten den Sicherungsmann/-frau. Auf dem Gipfel verweilt Corinna nicht lange, die Zeit reicht gerade zum Gipfel-Selfie für ihre FB-Community. Dann hetzt sie weiter.
Noch schlimmer geht es bereits heute am Mt. Everest zu. Die letzte Szene unserer Show spielt einen Meter unter dem Gipfel von diesem hohen Berg. Das Model „Ludmilla“ eine Nichte von Jelzin, kann sich mit ihrem Geld alles kaufen. Sie bucht das Rundumpaket für den Gipfelsieg und ein Sherpa muss nur dafür sorgen, dass sie mit allen Mittel den höchsten Punkt erreicht. Es wird geschoben und gehoben, bis sie auf dem Gipfelstuhl steht. Das auf dem Gipfel ein abgebrochener Fingernagel fast zu einem Nervenzusammenbruch bei der Hochgezogenen führt, ist wohl für jeden verständlich.
Dann will Ludmilla noch ein Gipfelfoto, das kostet den einfachen Wanderlustsatz – 35€. Wieder fängt sie zu kreischen an – Für einen Kasten Bier führt der Sherpa die Dame ins Basecamp. Abbruch der Szene!
Die Teilnehmer der Modenschau verlassen voller Stolz den Festsaal mit der festen Überzeugung, einen außerordentlich anspruchsvollen historisch-zukunftsbezogenen Beitrag geleistet zu haben, teilweise leicht verschwitz, oder durch die Techno-Last und durch das alte Zeug zusammengedrückt. Nur ein Bergfreund sah es locker, aber in der DDR Zeit gab es nicht viel zum Umhängen. Unsere Jungmanagerin hat auch nur eine kleine Last zu tragen und war glücklich, dass keine Wasserdusche in der Show eingebaut wurde. Das hatte sie schon am Abend vorher.
Wolle – unsere Alleinunterhalter – kann natürlich nicht immer nur allein unterhalten. Er holt die drei Täuflinge vor und bildet mit ihnen eine Rhythmusgruppe. Nach drei Titeln haben sie bewiesen, dass sie auch auf diesem Gebiet etwas können. Als Erinnerung an ihre Taufe am 14.10.2016 überreiche ich ihnen jeweils ein Buch aus dem Nachlass von Christian. Ein Clubfreund ist gegangen und drei Mitglieder sind gekommen. Christian hätte sich sicher über die Aufnahme der drei „Neuen“ sehr gefreut.
Inzwischen ist es nach Mitternacht, die Tagesgäste haben uns schon lange verlassen und Wolle, der Musiker, gönnt sich auch eine Ruhepause. In einem Eck des Saales bildet sich eine Gesangsgruppe und einige Berglieder werden gesungen.
Zusammen mit den geladenen Clubs sitzen wir am anderen Ende der Tafel. Eine lustige Gesprächsrunde ist entstanden, aber über was so gesprochen wurde, kann ich jetzt im Einzelnen nicht mehr wiedergeben.
Die Reihen werden langsam lichter und die Feier geht ihrem Ende zu. Da ich immer am folgenden Morgen gefragt werde, wie lange wir noch gesessen hätten, schaue ich auf die Uhr. Es ist noch nicht halb fünf. Die Uhr zeigt erst 4:28 Uhr.
Am Sonntag ist pünktlich 8 Uhr das Frühstück. Alle sind da, alle sind (fast) munter. Wir beginnen danach mit dem Räumen und Reinigen der Zimmer. Die Küche und Aufenthaltsräume werden wieder in Ordnung gebracht. Durch die vielen Helfer geht es sehr schnell und nachdem mein „Umzugsauto“ wieder gepackt ist, beschließen wir, eine kleine Wanderung auf dem Höhenweg von Schellerau zu machen. Das Wetter ist nicht sehr schön, aber die frische Luft tut gut.
Es war ein sehr schönes Stiftungsfest, organisiert und gestaltet durch die vielen Helfer (ich weiß jetzt nicht ob es 25 oder 30 waren). Herzlichen Dank an Euch Alle!
Ich danke auch den vielen Spendern, egal ob Geld- oder Sachspenden. Eine steuerlich absetzbare Spendenbescheinigung kann ich Euch leider nicht ausstellen.
Und - Ich wünsche mir, dass wir noch viele solche Stiftungsfeste feiern können, auch wenn es viel Arbeit macht.
Berg Heil!
Knut